Richtlinien zur Auswahl des Formverfahrens für Eisen- oder Stahlguss

Im Laufe der Zeit wurden diverse Technologien der Formherstellung, auch Formverfahren genannt, entwickelt, die die jeweiligen Anforderungen an den Herstellungsprozess für ein bestimmtes Gussteilesortiment am besten erfüllen können. Bei den Formverfahren unterscheidet man zwischen Formverfahren mit Dauerformen und Formverfahren mit verlorenen Formen.

Wie der Begriff es bereits andeutet, werden die Dauerformen nach dem Gießvorgang nicht zerstört und können somit noch weitere Male verwendet werden. Dauerformen werden aus Metall (Stahl, Gusseisen oder Kupferlegierungen) hergestellt (Bild 1), verlorene Formen dagegen bestehen aus Sand oder anderen feuerfesten Materialien mit oder ohne einen Bindemittelzusatz (Bild 2). Verlorene Formen können nur einmalig verwendet werden, und werden nach jedem Abguss beim Auspacken des Gussteils zerstört.

Bild 1. Dauerformen für Schleudergussverfahren

Dauerformen finden Anwendung bei der Herstellung von Rohren oder anderen rotationssymmetrischen Bauteilen im Schleudergussverfahren. In einigen spezialisierten Gießereien werden metallische Kokillen bei der Herstellung von Schalenhartguss oder Temperguss eingesetzt. In wassergekühlten Kokillen wird Strangguss aus Gusseisen hergestellt, der später als Vormaterial für die Fertigung von Hydraulikteilen verwendet wird.

Die Mehrzahl aller Stahl- und Gusseisenteile werden in verlorenen Formen hergestellt. Dabei wird ein feuerfester Formgrundstoff, in der Regel Sand, mit einem Bindemittel versetzt und mechanisch, chemisch oder physikalisch verdichtet. Die wichtigsten Formverfahren sind Verfahren mit nassen bentonitgebundenen Formstoffen (sog. Grünsandformverfahren – Bild 3) sowie Formverfahren mit organischen Bindemitteln.

    

Bild 2. Verlorene Formen aus chemisch-gebundenem Quarzsand vor dem Abguss (links) und nach dem Abguss (rechts)

Bild 3. Formen, die im Grünsandformverfahren hergestellt wurden.

In einigen speziellen Formverfahren enthält der Sand keine Bindemittelzugabe. Dabei handelt es sich um Vakuum-Formverfahren und um das Lost-Foam-Formverfahren im losen Sand.

Kriterien zur Auswahl des Formverfahrens

Die entscheidenden Kriterien zur Auswahl des Formverfahrens sind:

  • Masse des Gussteils
  • Komplexität und Genauigkeit des Gussteils
  • Benötigte Stückzahlen
  • Wirtschaftlichkeit

Hier werden die Leitfäden zur Auswahl des passenden Formverfahrens beschrieben.

Als Faustregel gilt:

  • Serienteile von 0,2 – 400 kg (in je nach Formanlage bis ca. 800 kg möglich) in größeren Stückzahlen (Vorzugslosgrößen ab 100 Stk und mehreren Tausend Stück pro Jahr) werden im Grünsandformverfahren mit Formen aus nassem tongebundenem Formstoff und mit Kernen aus trockenen chemisch gebundenen Formstoffen hergestellt.
  • Schwere Gussteile sowohl aus Eisen- oder aus Stahlguss ab ca. 800 kg Gewicht werden grundsätzlich in Handformverfahren mit chemisch-gebundenen Formstoffen hergestellt.
  • Rohre oder schwere rotationssymmetrische Teile können auch im Schleudergussverfahren mit Dauerformen gegossen werden.
  • Großserienteile mit engen Toleranzen wie z.B. Zylinderblöcke oder Zylinderköpfe können im Kernformverfahren hergestellt werden. Dieses Verfahren findet bei Gussgewichten bis ca. 200 kg Anwendung.
  • Kleinere Gussteile bis ca. 20 kg Gussgewicht und hohen Stückzahlen pro Jahr mit höchsten Anforderungen an die Oberfläche und an die Genauigkeit, so dass auf weitere mechanische Bearbeitung weitestgehend verzichten werden kann, können im Feinguss- oder Genaugießformverfahren (Keramikformverfahren) hergestellt werden.
  • Kleinere Serienteile mit engen Toleranzen, geringem Gussgewicht (bis ca. 20 kg) und größeren Stückzahlen (> 10.000) pro Jahr können im Croning-Formverfahren (auch Maskenformverfahren genannt) hergestellt werden.
  • Gussteile, die normalerweise im Grünsandformverfahren hergestellt werden können, dafür aber die für dieses Verfahren wirtschaftlichen Stückzahlen fehlen, können im Handformverfahren mit chemisch-gebundenen Formstoffen hergestellt. (Zum Beispiel Teile für Service- oder Projektaufträge mit Stückzahlen 1 bis 10 pro Jahr).
  • Für Gussteile mit kompliziertem Innenleben (mehrere Kerne) und Gewichtsbereich bis ca. 120-150 kg, wo das Putzen der inneren Kanäle nach dem Abgießen erschwert ist, kann Lost-Foam-Formverfahren mit losem Quarzsand verwendet werden. Dafür ist aber eine Mindeststückzahl von ca. einigen Hundert Stück pro Jahr notwendig, da sonst die Investition in die Werkzeuge sich nicht mehr lohnt.
  • Kleinere Gussteile bis einige Hundert kg, wo kein Modell vorhanden ist, und Lieferzeit sehr schnell sein muss, so dass Zeit für den Modellbau fehlt, können mit Hilfe von verschiedenen Rapid-Prototyping-Formverfahren hergestellt werden.
  • Größere Gussteile ab ca. 1 t, wo kein Modell vorhanden ist, und Lieferzeit sehr schnell sein muss, so dass Zeit für den Modellbau fehlt, können mit Hilfe von Lost-Foam-Formverfahren im Furanharzsand gegossen werden.

 

Die resultierenden Gussteiltoleranzen sind zwar von verschiedenen Faktoren abhängig, aber das ausgewählte Formverfahren sowie die Genauigkeit des Modells spielen vielleicht die wichtigste Rolle.

Nun ist es die Aufgabe des Gusskonstrukteurs und des Gussverbrauchers, die Gießereien mit den passenden Formverfahren zu identifizieren und nach der Auswertung und Durchsprache der Angebote den passenden Lieferanten auszuwählen.